Die Blockbuster des ersten Quartals 2014: Teil 1Captain America - The Winter Soldier, Snowpiercer, Non-Stop

Snowpiercer

Chris Evans in „Snowpiercer“, Foto: MFA Filmdistribution

Von linksliberal-klassenkämpferischen Filmen bis zu jenen, die sich eine verschärft reaktionäre Mobilmachung auf die Fahnen geschrieben haben: Unser Filmredakteur Sulgi Lie hat sich die Blockbuster des ersten Quartals 2014 angeschaut.

Wenn Robert Redford den Bösewicht mimen muss, kann es in Hollywood nicht mit rechten Dingen zugehen: Ausgerechnet der Vorzeige-Linksliberale Redford, seit alten „New Hollywood“-Tagen edler Hüter demokratischer Essentials sowohl auf als auch jenseits der Leinwand, spielt in dem Marvel-Sequel „Captain America: The Winter Soldier“ den Neocon-Schurken, der ein gigantisches neues Waffensystem – in der Art eines fliegenden Flugzeugträger – präemptiv gegen die eigene Bevölkerung einsetzen will. Der unbestechliche Aufklärer, der in dem Seventies-Paranoia-Klassiker „All the President’s Men“ noch Nixons Watergate-Affäre aufdeckte, ist nun fiktional zu einem aalglatten Hardliner mutiert, der hoch oben in Washingtons sterilen Räumen der Macht thront und die totale Prävention herbeisehnt.

##Der Superheld als verletzliche Figur
Eine Vision von Amerika, die selbst einem linientreuen Supersoldaten wie Captain America entschieden zu faschistoid anmutet: Reaktiviert aus einem siebzigjährigen Winterschlaf, setzt Captain America den antifaschistischen Kampf aus dem ersten Teil nun quasi auf heimischem Terrain fort. Trotz eines seruminduzierten Muskelpanzers ist Steve Rogers alias Captain America kein unkaputtbarer Superheld wie noch Zack Snyders letztjähriger „Superman“, sondern physisch durchaus verwundbar und psychisch empfindsam. Dazu passt, dass die Regiebrüder Anthony und Joe Russo, die eher aus dem Komödienfach kommen, die Actionszenen mit einer unalbernen, comicfernen Härte erden, die man in anderen Marvel-Franchises wie den lächerlichen „Thor“-Filmen vermisst. Der Superheld als verletzliche Kreatur: Wenn Captain America im letzten Battle gegen Redfords Weltraumschiffe in einer Superzeitlupe rücklings vom Himmel stürzt, gemahnt die Einstellung an King Kongs tragischen Fall vom Empire State Building am Ende von Peter Jacksons Blockbuster-Klassiker aus dem Jahre 2004. Kein Übermensch ist dieser Captain America, sondern ein etwas anachronistischer Patriot, der gegen den grassierende Anti-Terror-Wahn sein Schild erhebt.

Captain America

Mehr verletzlicher Patriot als Übermensch: „Captain America“ / Foto: Image.net

Dass Chris Evans nicht nur in „Captain America“, sondern auch in Bong Joon-hos koreanisch-europäisch-amerikanischer Hybrid-Produktion „Snowpiercer“ die Hauptrolle spielt, macht den muskelbepackten Hollywood-Star zu den heroischen Rebellen dieses Blockbuster-Quartals: Nach einer Reihe ziemlich grandioser koreanischer Filme hat sich auch Bong Joon-ho wie seine Kollegen Park Chan-wook und Kim Jee-won an einer Hollywood-Großproduktion versucht. Leider mit eher durchwachsenem Resultat: Die linke politische Agenda Bongs, die sich in seinen früheren Filmen eher als allegorische Mehrbedeutung entfaltete, ist in „Snowpiercer“ auf eine krude Parabel runtergebrochen. In einer postapokalyptischen Eiszeit hausen die letzten Überlebenden in einem Hochgeschwindigkeitszug, deren Wagons rigide nach Klassenhierarchien aufgeteilt ist. Chris Evans wird der Anführer einer Bewegung, die sich unaufhaltsam vom letzten Wagon des verelendeten Subproletariats in die dekadente Herrschaftsspitze des ersten Wagons schiebt.

##Revolte als Teil des Komplotts der Herrschenden
„Snowpiercer“ wirkt wie ein derivatives Sammelsurium aus halbgaren Versatzstücken, die hier anders als in den koreanischen Genre-Mixturen Bongs auseinanderfallen: hier ein paar barocke Action-Tableaus im Stile „Old Boy“, da ein paar grotesk überchargierte Starauftritte von John Hurt, Tilda Swinton und Ed Harris, dort ein paar mäßig gelungene CGI-Schneelandschaften. Vielleicht mag es an der französischen Comic-Vorlage liegen, dass die von Level zu Level fortschreitende Gamer-Logik im Stile eines Neunziger-Jahre-Films wie Jean-Pierre Jeunets „Delicatessen“ daherkommt. Das ist nicht unsympathisch, aber auch etwas altbacken in seiner Beschwörung einer fantastischen Maschinenwelt, in der wie zu Zeiten des Manchester-Kapitalismus kleine Kinder in mechanischen Räderwerken schuften. Und ein bisschen Paranoia-Paradoxie à la New Hollywood gibt es zum Schluss auch: Selbst die Revolte scheint Teil eines Komplotts der Herrschenden zu sein.

Leider ist es nun mal so, dass die unverhüllt „rechten“ Filme ästhetisch oft interessanter sind als die wohlmeinend „linken“ Filme.

Mit ihrer linksliberalen beziehungsweise klassenkämpferischen Message bilden „Captain America“ und „Snowpiercer“ den ideologischen Gegenpol zu jenen Blockbustern, die sich eine verschärft reaktionäre Mobilmachung auf die Fahnen geschrieben haben. Sie reicht von der Rechtfertigung des Ausnahmezustands („Non-Stop), über anti-arabische Ressentiments („300: Rise of an Empire“) bis zur faschistoiden Wiedergeburt des amerikanischen Nationalkörpers („The Lone Survivor“). Leider ist es nun mal so, dass die unverhüllt „rechten“ Filme ästhetisch oft interessanter sind als die wohlmeinend „linken“ Filme. Das gilt auch für einen harmlosen Action-Film wie Jaume Collet-Serras „Non-Stop“, ein reines Vehikel für die zerknirschte Männlichkeit des Liam Neeson, der sich nach langen Jahren als etwas dröger Charakterdarsteller mit „Taken“ (2008) als eisenharter Proll-Action-Held im Seniorenalter neu erfunden hat und sich seitdem erbarmungslos durch einige sehr unterhaltsame Streifen schießt und prügelt. Seit er in „Taken“ besonders grimmigen albanischen Mädchenhändlern den Garaus gemacht hat, trägt Liam Neeson den Nimbus des martialischen Law-and-Order-Haudegens. Auch in „Non-Stop“ muss er das Recht erstmal rigoros außer Kraft setzen, um das Gesetz (d.h. sich selbst) wiederherzustellen.

Gesichtslose terroristische Bedrohung per SMS: Liam Neeson in „Non-Stop“

Als privat etwas derangierter Sicherheitsmarshall sieht sich Neeson auf einem Langstreckenflug mit einer gesichtlosen terroristischen Bedrohung konfrontiert, die mit anonymen SMS-Nachrichten den sukzessiven Tod von Passagieren ankündigt. Interessant ist „Non-Stop“ weniger als Action-Kammerspiel, in dem Liam Neeson im Namen der Freiheit präventiv alle Passagiere als potentielle Terroristen drangsaliert, sondern vielmehr in der Inszenierung einer technologischen Paranoia, die das filmische Bild selbst zu einer Smartphone-Oberfläche verwandelt: Die SMS-Texte schreiben sich auf der ganzen Leinwand ein und entgrenzen sich damit von der Perspektive des einzelnen technischen Geräts. In „Non-Stop“ sind SMS eine Technologie des Terrors, allgegenwärtig und allsehend.

Hier geht es zum zweiten Teil des Textes.

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