Apple! What Time Is Love!?iWatch ohne „i“, Tim Cook mit E
10.9.2014 • Gesellschaft – Text: Thaddeus HerrmannPerfekte Inszenierung, tobender Applaus und eine alternde Rockband. Apples Event zu neuen iPhones und der Smart Watch gestern Abend stand vor allem für eins: die endgültige Emanzipation des Firmenchefs Tim Cook.
Wie war es denn nun gestern? Erwartungen und/oder alle Klischees erfüllt? Die beiden neuen iPhone-Modelle entsprechen genau dem, was zuvor im Netz schon zu lesen und zu sehen war. Sie sind sicher toll, wie toll aber, kann man erst einschätzen, wenn man sie eine Weile ausprobiert hat. Das Gleiche gilt natürlich noch viel mehr für Apples erste Smartwatch, die erst Anfang des kommenden Jahres in den Handel kommen soll. Das scheint gute Gründe zu haben: Sie ist schlicht und einfach noch nicht fertig entwickelt. Alle entscheidenden Details wurden bei der Präsentation professionell ausgelassen: Batterielaufzeit, wie die Uhr tatsächlich mit dem Telefon interagiert etc. Hingegen war eine Uhr zu sehen, deren Bedienung einerseits - Apple-typisch - sehr einfach scheint, gleichzeitig aber auch enorm komplex. Wie sich die Uhr im Alltag schlagen wird, bleibt abzuwarten. Sie scheint all das zu können, was die Konkurrenz von Google und Co schon heute bietet, aber eben auch wenig mehr.
Die Keynote war aber vor allem aus ganz anderen Gründen interessant: Mit dem gestrigen Abend trat Tim Cook endgültig aus dem Schatten seines Vorgängers Steve Jobs.
Steve? Can you hear me, Steve?
Diesen Werbespot schaltete Apple kurz vor der Jahrtausendwende. Als die Angst vor dem Y2K bug umging. Der Sprung von 1999 auf 2000 galt als schwierig für Computer, natürlich nur für die mit Windows. Somit aber auch für alle integrierten Systeme, die unsere Welt schon damals beherrschten: Geld- und Fahrkartenautomaten für das Volk, sicherheitsrelevante Systeme im Globalen. Militär, Finanzwesen, Kernkraftwerke. Am Ende dieses Spots, dem Space-Odyssey-Film von Kubrick entlehnt, mit Supercomputer Hal 9000 in der „Hauptrolle“, ist ebenjener am Ende. Verdammter Y2K Bug. Und der Astronaut David Bowman hört Hal gar nicht mehr zu. Er sitzt am Mac. Und Hal fragt, verwirrend menschlich und fast traurig: „Dave? Can you hear me, Dave?“
Diese Rolle wurde dem Apple-CEO Tim Cook immer wieder gerne angedichtet. Blass, mit wenig Charisma, keine so schillernde Persönlichkeit wie Steve Jobs. So stellte man sich Cook immer wieder vor, wie er abends am Fenster steht, gen Himmel schaut und auf Antwort von Jobs hofft. „Can you hear me, Steve?“ Auf der Suche nach Führung, der nötigen Chuzpe, um Aktionäre und Kunden mit neuen Produkten bei der Stange zu halten. Aber es war eine komische Zeit in der Technikwelt. Natürlich wurden alle Produkte regelmäßig schneller, dünner und was auch immer. Die große Neuheit, die nächste Ära war nicht in Sicht. Alle beschwerten sich und zeigten auf Cook und das vermeintliche Ende von Apple - oder zumindest von Apples Innovationsgeist. Den Mitbewerbern gefiel das. So mussten sie das nächste große Ding nicht selber liefern. Das haben sie bis heute nicht getan. Und Cook hat Steve Jobs auch nie um posthume Hilfe gebeten.
Aber Apple veränderte sich. Langsam, aber stetig. Das ist sicherlich nicht nur Tim Cook zu verdanken. Er, und nur er, hätte diesen Wandel aber verhindern können. Wollte er nicht. Nicht nur neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern offenbar auch ein neuer Führungsstil. Offener in vielen Belangen. Frischer Wind bei den Keynotes, dank neuer Redner. Plötzlich witzig. Und auch wenn bei so einem Event natürlich alles gescriptet ist: glaubwürdig. Unterhaltend. Zumindest für die Nerds da draußen. Dass es Apple mit diesem neuen Weg sehr ernst meint und niemandem mehr etwas beweisen muss, presste Phil Schiller in einen kurzen Sager.
Der einzige, dem man die neue Stimmung bislang nicht wirklich anmerkte, war Cook selbst. Bis gestern Abend. Da riss er bei der Vorstellung der Uhr die Arme hoch, wirkte als hätte er endlich zum ersten Mal ein wenig Ecstasy genommen (seine Kollegen sind ihm da bereits voraus), kombinierte das mit seiner texanischen Contenance, klatsche seinem Team Beifall und wollte allen in die Arme fallen. Sieh her, Welt, das ist meine Firma. Gelandet ist er schließlich bei Bono, dem alten Apple-Kumpel, mit dem sich das Marketing-Team aus Cupertino den vielleicht größten Clou des Abends ausgedacht hatte: Das neue Album von U2, umsonst für alle iTunes-Kunden.
Und ganz nebenbei deutet sich eine weitere Wendung an: Die Uhr heißt Apple Watch, das vorgestellte kleine i gibt es nicht. Dort, wo mit dem ersten iMac Apple ein neues Kapitel in der Firmengeschichte aufschlug, im Flint Center, wurde gestern dieser Zusatz auch wieder gestrichen. Bei einem Produkt, das eigentlich prädestiniert gewesen wäre, die Pole-Position in der i-Kategorie einzunehmen. Neue Produkte brauchen eben einen Neustart. Ein CEO mit einem so einflussreichen Vorgänger wie Steve Jobs braucht den sowieso. Da darf man auch den Spruch wieder nutzen, mit dem Jobs einst bei seinen Präsentationen berühmt wurde.