Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
##Beats, Breaks, Vinyl
Breakbeats spielten und spielen in den unterschiedlichsten Musik-Genres eine entscheidende Rolle: vor allem natürlich HipHop und später Jungle und Drum and Bass. Gute Aufnahmen dieser „Breaks“ zu finden, um sie dann für die eigene Musik zu verwenden, war mitunter gar nicht so einfach – gerade in der Zeit vor dem Internet. Die LP-Reihe „Ultimate Breaks & Beats“ schuf da Abhilfe. Zwischen 1986 und 1991 erschienen 25 Folgen in der Reihe, die Sampling-Enthusiasten die Suche nach Soul-, Funk- und Disco-Platten ersparten. Lenny Roberts und Lou Flores hatten die Idee für die Serie. In einer umfassenden Oral History beleuchtet Robbie Ettelson einerseits die Entstehung der Breakbeat-Sampler und befragt außerdem Musiker, die die Schlagzeug-Loops für ihre eigenen Produktionen verwendeten. Kurzweilig und mit vielen Hörbeispielen, inklusive Nerd-Wissen. Welche Break wurde wie oft gesampelt? Wer hätte gedacht, dass Compilation-LPs mit obskuren Drum-Loops die Demokratisierung der elektronischen Musik einläuten würde?
„Oh! That’s what that shit is!“
Sampling und Rechte
Sampling könnte so einfach sein – wenn die Rechtslage nicht so kompliziert wäre. Nein, auch bei Samples unter zwei Sekunden oder vier Takten müssen die Rechte geklärt werden, alles andere ist Mythos. Das ist schon so, seit Afrika Bambaata und die Soulsonic Force bzw. das zugehörige Label Tommy Boy Records für die Verwendung eines Samples von Kraftwerks Trans-Europe-Express verklagt wurden. Und das war 1982. Jan Simon, früherer JUICE-Autor und heutiger Rechtsanwalt erklärt die Rechtslage in Sachen Sampling von Anfang bis Ende:
„Beinhaltet ein Track zum Beispiel drei Samples, wäre der Worst Case, dass man mit sechs verschiedenen Rechteinhabern verhandeln muss. Viel Spaß!“
##Schickeria-Tod
Sein Image als Bussi-Bussi-Stadt wird München wohl nie los. Doch was blieb eigentlich von der Schickeria, die der kürzlich verstorbene Helmut Dietl in „Kir Royal“ verewigt hat und die, ähem, die Spider Murphy Gang in ihrem Song besang? Wenig, weil sie überall zu sein versucht. Heute wird bei jeder kleinsten Shoperöffnung ein roter Teppich ausgerollt und die lokale A- bis D-Prominenz inszeniert sich mit Instagram-Selfies und Status-Updates vom Joggen im E-Garten lieber selbst, als von Klatschreportern wie in „Kir Royal“ verfolgt zu werden. Baby Schimmerlos könnte man heute nicht mehr figurieren: Die bewunderte und verhasste Schickeria ist heute nur noch eine Projektion ihrer selbst. Eine Art doppelter Nachruf - auf eine Gesellschaft und ihren Chronisten.
„Heinrich Haffenloher, dem Kleberfabrikanten aus Kir Royal, wäre es heute völlig egal, ob ihn Herbie in die Zeitung bringt. Er hätte einfach ein Selfie mit Schimmerlos geschossen und Facebook zugeschissen mit seinen Posts.“
##Wurst-Rant
Sieh an: Auch auf Facebook kann man einen lesenswerten Text veröffentlichen. Hendrik Haase aka „Wurstsack“, Food-Aktivist und Genussmensch, hat was zu sagen: Er nimmt die neue vegetarische Wurst und das Unternehmen Rügenwalder dahinter auseinander. Aber so richtig. Anlass: ein überaus wohlwollender Spiegel-Artikel. Eine nachhaltige Veggie-Alternative für eine Generation, die immer weniger Fleisch ist, so wie immer weniger geraucht wird? Von wegen: Am Ende kommt gar raus, dass für das Eiweiß des Greenwashing-Produkts mehr Tiere sterben müssen als für die herkömmliche Wurst.
„Nach längerem Kauen stellen sich Geschmäcker von verrottender Petersilie ein. Irgendwo zwischen Blumenwasser und überlagerten Nüssen.“