Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
##Brauchbare Illegalität
Wenn gegen geltendes Recht verstoßende Abweichungen von Normen und Regeln in Unternehmen systemisch sind, dann nennt man das „brauchbare Illegalität“: Es wird mit Duldung von ganz oben anders gemacht, als im Dienst nach Vorschrift festgelegt. Weil es sonst zu lange dauert, zu teuer wäre oder gar nicht geht. Das, was bei VW passiert ist, gehört nach Ansicht von Stefan Kühl dazu. Werte künstlich runterschrauben sei in der Autobranche so Usus, wie es das Nutzen der verbotenen Gewindebohrer in der Flugzeugbranche ist. Der VW-Chef und mit ihm sein ganzer Unternehmertypus mag ein Auslaufmodell sein, aber die Praxis des Regelverstoßes nicht. Die inländische Politik guckt gerne weg. Blöd nur, wenn das Ganze im Ausland auffliegt.
Ist ein durch strafrechtliche Ermittlungen ausgelöster Vorfall erst einmal zu einem internationalen massenmedialen Skandal avanciert, können die Automobilkonzerne noch so viele ehemalige Verkehrsminister und Kanzleramtsminister auf ihrer Lohnliste haben – der Skandal lässt sich nicht mehr begrenzen.
##Sterben bei Amazon
Die Arbeitsbedingungen in Amazons Logistikzentren sind immer wieder Anlass für öffentliche Diskussionen, gerade jetzt, wo sich das Unternehmen auf den vorweihnachtlichen Bestellwahnsinn vorbereitet. Zu diesen „Peaks“, wie Amazon selbst die Hochzeiten nennt, werden zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt, die für ein paar Wochen die Belegschaft der Auslieferungslager unterstützen. Einer von ihnen war Jeff Lockart, der in Chester, Virginia, als Zeitarbeiter seinen ersten Job seit langem bekam. Er war ein guter Arbeiter, behielt seinen Job nach dem Weihnachtsgeschäft, hoffte auch eine Festanstellung. Bis er im Lagerhaus zusammenbrach und wenig später im Krankenhaus starb. Dave Jamieson hat seine Geschichte aufgeschrieben. Und berichtet von Quotenerfüllung, Druck, Zeitarbeitsfirmen, Betriebsärzten, Kondolenzbekundungen und einem ungeklärten Todesfall. Nicht dem einzigen bei Amazon in Virginia.
„Nach dem Tod von Jeff konfrontierte sein Vater Amazon-Manager mit der Frage, was sie für die Familie des Verstorbenen zu tun gedenken.“
Und Maschinen können doch kuratieren!
Streaming ist toll. Die vom jeweiligen Dienst vorgeschlagenen Playlisten auf Basis der eigenen Präferenzen sind es weniger. Oder waren es zumindest bis vor kurzem. Während man bei Apple Music den Kurs der humanen Kuration inklusive Live-Radio abfeiert, kommt Spotify mit der individuell zusammengestellten Playlist „Dein Mix der Woche“ bzw. „Discover Weekly“ daher. Total unique, nur für dich! Und nach einigen Wochen der Testzeit lässt sich feststellen: Was das Ding kann, ist beeindruckend. Ich habe neue, großartige Künstler entdeckt, genau mein Geschmack, und Songs mit teils weniger als 1000 Plays. Ähnliche Erfahrungen hat Ben Popper gemacht und für The Verge mal ausführlich ausgetestet, verglichen, aufgeschrieben. Und dann ist er auch noch zu Spotify gefahren und hat nachgefragt wie es funktioniert:
„The only song more important than the one you’re listening to is the one that comes next. Whoever perfects this act of curation could win the streaming music war.“
Tastemaker - How Spotify’s Discover Weekly cracked human curation at internet scale
##Im Facebook-Ökosystem
Facebook zeigt seit dieser Woche seine viel diskutierten „Instant Articles“ im mobilen Stream an, zunächst auf iPhones. Halt. Seine Artikel? Da sind wir mitten im Thema. Es sieht aus, als sei es Content von Facebook. Die Darstellungsweise ist recht catchy, schnell zu bedienen, die Seiten laden im internen Browser schneller, laut Facebook zehnmal schneller als in einem externen. Aber es sind Inhalte von Dritten, die sich nun bei Facebook hineinzwängen (müssen). Damit ist das, was wir glaubten, nach Wegwerfen der letzten CD-ROM von America Online hinter uns gelassen zu haben - ein Internet, bei dem uns der Zugangsanbieter in seinem Portal einzuhegen versuchte - jetzt wieder da. Ein Schritt zurück? John Hermann findet:
„A straightforward inverted-pyramid news article, written in a conventional tone and adhering to a familiar newspaper or magazine structure, feels, as an Instant Article, a bit like a news clipping pasted to a wall.“