Bacardí „No Commission“Swizz Beatz im Interview über Kunst abseits von elitär
10.7.2017 • Kultur – Interview & Fotos: Benedikt BentlerAls Kreativchef von Bacardí kümmert sich Kasseem Dean aka Swizz Beatz um die Einbindung von Kunst und Kultur in die Markenwelt des Spirituosengiganten. Bei der Veranstaltungsreihe „No Commission“, die Bacardí zusammen mit der „Dean Collection“ veranstaltet, steht neben der Musik die bildende Kunst im Mittelpunkt. Dabei geht’s nicht nur um Präsentation, sondern vor allem auch ums Kaufen, Verkaufen und Sammeln. „No Commission“ will Sprungbrett sein für Newcomer, ein Türöffner in den Kunstmarkt. Nicht nur für Künstler, an die der gesamte Erlös geht, sondern auch für Sammler. Die Preise beginnen deshalb bei 50 Dollar, reichen aber bis 280.000 Dollar pro Bild. Nach Stopps in Shanghai, der Bronx und London fand die Event-Reihe am vorletzten Wochenende im Kraftwerk Rummelsburg in Berlin statt. Mit dabei: Major Lazer, Alicia Keys und natürlich ihr Ehemann Swizz Beatz selbst. Wir haben den Grammy-Gewinner, dessen größter Fan Kanye West heißt und der den Sound von HipHop und R'n'B seit fast zwanzig Jahren prägt, am Tag der Eröffnung zum Interview getroffen.
Als ich mich in den letzten Tagen auf Youtube durch deine Produzenten-Diskographie geklickt habe, ist mir etwas aufgefallen. Vor zwanzig oder fünfzehn Jahren war eines unverzichtbar: Die Crowd hinter dem Rapper. HipHop hatte schon immer etwas mit Ego zu tun, aber dieses Ego wurde erst richtig gestärkt durch die Leute dahinter. In den letzten zehn Jahren ist die Crowd verschwunden, von den Bühnen, noch mehr aber aus den Videos. Kannst du mir erklären warum?
Ich glaube die Artists haben gemerkt, dass es ohne die Crowd einfacher ist. Du kannst dich freier bewegen. Aber ganz ehrlich: Ohne Crowd hast du weniger Verantwortung, weniger Stress – weniger Kopfschmerzen. Wenn ich aber eine Show spiele, ist da natürlich die Crowd, die Familie.
Nach wie vor die Ruff Ryders?
Total. Wir gehen im September auf Ruff-Ryders-Tour, da wird ein DMX-Album kommen, mein Album, eins von The Lox. Ruff Ryders wurden von meinem Onkel gegründet, das wird also immer meine Familie bleiben.
Ich habe das Gefühl, dass Dinge wie der Kampf gegen Ungerechtigkeit und der Traum von einer besseren Gesellschaft dem HipHop ein Stückweit abhanden gekommen sind. Anders gesagt: Ist die Stimme von HipHop laut genug im Bezug auf das, was politisch in den USA gerade passiert?
Ja und nein. Ich glaube schon, dass die politische Realität in das kreative Schaffen mit einspielt. Aber im Grunde genommen war es immer so. Da läuft jetzt irgendwie ein neuer Film, aber doch nichts anders. Wann war Amerika so wie es sein sollte? Noch nie. Wir mussten immer kämpfen, es gab nie Gerechtigkeit, die Staaten waren nie der Ort, in dem jeder seinen großen Traum leben konnte. Richtig emotional wird es, wenn es um die Shootings der Polizei geht. Das ist eine andere Geschichte.
Es fühlt sich derzeit nicht an wie ein Schritt zurück?
Aus meiner Perspektive nicht.
Lass uns darüber sprechen, was hier passiert. Hat bildende Kunst dich schon immer interessiert?
Als ich aufgewachsen bin, gab es um mich herum nichts außer Musik und Kunst. Ich habe mich für Musik entschieden, weil die populärer und irgendwie cooler war (lacht). Aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich irgendwann zur Kunst zurück und dazu beitragen muss, dass sie zugänglicher und cooler wird. Als Künstler und Sammler habe ich schnell gemerkt, wie mit Künstlern eigentlich umgegangen wird. Dem möchte ich mit „No Commission“ etwas entgegensetzen. Die Künstler können ihren gesamten Erlös behalten, der Eintritt ist frei, die Konzerte sind umsonst. Die Preise für die Kunst beginnen bei 50 Dollar und gehen bis 280.000 Dollar. „No Commission“ soll für jeden zugänglich, aber trotzdem ein Premium-Event sein.
Und die Idee kam, weil der Kunstmarkt so geschlossen ist?
Ja, er ist total geschlossen für Leute, die kein Geld haben. Du gehst in eine Galerie und da hängen 20.000-Dollar-Werke. Wie willst du überhaupt an der Konversation partizipieren, wenn du nicht viel Geld hast? Du kannst gucken. Aber nicht anfassen. Kunst sollte nicht nur für wohlhabende Menschen sein, aber die Art und Weise, wie Kunst promotet wird, suggeriert genau das. Das Sammeln von Kunst ist ein Symbol für Reichtum, das Einstiegslevel ist viel zu hoch. Das ist auch der Unterschied zur Musik. Vielleicht kann einer besser malen als rappen, aber trotzdem wird er Rapper. Weil er in dieses abgehobene Kunstding gar nicht reinkommt. Ich habe selbst riesige Bilder von sehr bekannten Malern gesammelt. Inzwischen promote ich aber keine großen Künstler mehr und sammle auch nur noch Werke von lebenden Künstlern. Damit der Künstler auch was davon hat.
Nun steckt hier Bacardí im Namen. Ob du willst oder nicht: Es klingt nach Corporate-Veranstaltung. Ist es nicht ziemlich unmöglich, dass ein solches Format als Sprungbrett für Künstler in den so geschlossenen Kunstmarkt dienen kann?
Nein ich glaube nicht, weil die Marke nicht vor den Künstlern steht. Wir haben bis jetzt vier Millionen Dollar an Künstler ausgeschüttet, es hat sich also schon ziemlich gelohnt. Letztendlich sehen die Leute doch, was hier im Mittelpunkt steht. Aber klar: Als ich hier reinkam, musste schon noch Einiges im Sinne der Kunst verändert werden. In meiner Rolle bei Bacardí kämpfe ich für die Kunst und die Künstler. Und wenn ich etwas für die Kunst tue, dann mache ich es richtig oder gar nicht. Anders läuft es mit mir nicht.