Schnapsideen – Erfindergeist im 21. JahrhundertOutdoor- und Festival-Spezial 2017
7.7.2017 • Technik & Wissen – Kolumne: Ji-Hun Kim, Illustration: Susann MassuteTechnologien können die Welt verbessern. Können …
Die Juli-Ausgabe unserer Technik-Kolumne widmet sich saisongemäß dem Thema Outdoor. Ob auf ketaminigen Techno-Festivals, Selbstfindungstrekkingtrips, beim Ferien-Camping oder am Strand – ein bisschen praktisch darf es dann doch sein, dachten sich viele hippe Erfinder und haben einige Geniestreiche für den Sommer 2017 parat. Vom Bass-Rucksack, Influencer-Weißbrot-Irrsinn, Klebesohlen bis hin zum vielleicht sperrigsten „Männertraum“ für den Außengebrauch.
Baserock
Wer sich für die Outdoor-Saison einen Rucksack für 250 Dollar zulegt, der möchte auch was Gescheites dafür bekommen. Baserock ist ein Rucksack zu genau dem Preis und sieht auf dem ersten Blick wie ein stinknormaler Trekking-Tagesbackpack aus, verfügt aber über eine 2 Liter fassende Flüssigkeitsversorgung und dazu – das ist natürlich der Knüller – ein Bass-System, das die Musik vom Smartphone oder Walkman mit vibrierenden, vermeintlich immersiven (Immersion ist das Trendwort zur Zeit schlechthin) Schlägen auf den Rücken verstärken will. „Bass Boosting Back Panel“ nennt sich dieses Hightech-Geschwurbel dann. Im Viervierteltakt von hinten angestupst zu werden, ob das die Nike+-Performance beim Triathlon-Monatsbattle mit den Agenturkollegen in die Höhe treibt? Der Hersteller empfiehlt unterdessen folgende Use Cases. Auf Festivals oder Konzerten könne die Live-Experience durch den Rucksack nämlich noch besser werden. Im Rucksack ist ein Mikrofon verarbeitet, das die Umgebungssounds aufnimmt und somit synchron den Bass auf dem Rücken zusätzlich „boostet". Sollte es auf Festivals oder im Berghain nicht ohnehin eigentlich laut genug sein? Und waren die Erfinder mal mit einem Rucksack in einem Moshpit oder auf einem gefüllten Dancefloor, ohne nach zwei Minuten wegen Blödheit und Asozialität angefeindet zu werden? Aber auch fürs Chillen wird der Rucksack empfohlen. Wirklich. Wenn man zum Beispiel in einem Café sitzt, im Park oder auf der Couch cornert, könne man doch mit dem Rucksack auf dem Rücken entspannt der Lieblingsmusik lauschen und sich bestens entspannen. Ja, genau.
Nakefit
Bei gutem Wetter barfuß laufen empfehlen auch Orthopäden. Der liebe Gott bzw. die Evolution hat uns mit den Füßen ja durchaus auch kleine Wunderwerke geschaffen, die man nicht jeden Tag unter Schuhen verstecken muss. Aber im Friedrichshain barfuß laufen, muss trotz tollem Wetter nicht sein. Hundetretminen, Sterni-Splitter, Kronkorken, Dönerreste – man kennt’s ja. Aus Italien stammt das Produkt „Nakefit“. Eine Klebesohle zum einmaligen Gebrauch, die aus jedem Barfuß einen Pirelli macht. Heißer Sand, Urinlachen in der Strandbadtoilette, alles so yesterday. Sogar wasserfest soll Nakefit sein. Zehn Paar Klebefolie kosten happige 30 Dollar, was in etwa für einen Sommerurlaub reichen dürfte. Wer die ganze Familie damit ausstatten will, rechne den Faktor dazu. Es bleiben dennoch Fragen: Die Haut an der Fußsohle verfügt nämlich über mehr als 500 Schweißdrüsen pro Quadratzentimeter. Sie sorgt somit also nicht nur für ein perfektes Körperklima, sondern von Natur aus schon für eine bestmögliche Haftung auf dem Boden beim Barfußlaufen. Inwiefern es klug ist, die Füße mit diesen seltsam aussehenden Gummi-Klebefolien luftdicht zu vakuumieren, würden wir gerne einen Mediziner fragen.
Chilla Chair
Das ultimative Angeber-Tool ist der Chilla Chair aus Australien. Eine mammutgroße Kühlbox für Bier mit einem leichten Touch von Game-of-Thrones-Allmachtfantasien für so richtige Hornbach-Jack-Wolfskin-Männer aus Niedersachsen. Man könnte das durchaus ein technisches Kunstwerk nennen, das über mehr Funktionen verfügt als der Lotus Esprit von James Bond. Hier eine Übersicht: Neben der 70 Liter fassenden Kühlbox gibt es einen gepolsterten Sitz, Getränkehalter, Angelrutenhalter, Picknickgeschirr für zwei verstaut in der Rückenlehne, eine Solaranlage, Bluetooth, Dual-USB-12V-Auflademöglichkeit für Gadgets und natürlich einen Lautsprecher, um den Gunter-Gabriel-Backkatalog mit einer verdrückten Träne zu goutieren. Allerdings dürfte ein prall gefüllter Chilla Chair so schwer wie ein Sarg sein und in die meisten Kofferräume wird er wahrscheinlich auch nicht passen. Zur Not kann man sich das Gerät aber auch daheim installieren. Einen Tag lang den Don mal den guten Don sein lassen. Wenn’s denn sein muss, der Kühlschrank ist ja bekanntlich immer zu weit weg.
Pain Tote
Sommerzeit ist immer auch Picknickzeit. Vier Flaschen Wein, Käse, Oliven, sardische Salami und Baguettes, viel mehr braucht es nicht für einen perfekten Abend. Aber könnte man perfekt nicht eigentlich noch steigern? Hier kommt die „Pain Tote“ von àplat ins Spiel. Pain steht hier nicht für den englischen Schmerz (irgendwie dann doch) sondern für Brot wie das französische «pain». Ein vor snobistischer Kollwitzplatz-Design-Attitude erigiertes Stück ist diese Baumwolltasche geworden. Ein auf die perfekte Funktionalität bedachter Geniestreich. Eine 48 Euro teure Tasche, die genau darauf ausgelegt ist, zwei Baguettes zu transportieren. Nicht mehr und nicht weniger. Vielleicht ließe sich der tägliche Porree-Einkauf damit noch absolvieren, ist ansonsten aber so vielseitig und praktisch wie ein rostiger Ananas-Schneider.